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WELTREISE RADAR

Weltreise ohne Wiederkehr

Andreas Killat hatte sich mit seiner Frau Lina einen Lebenstraum erfüllt: Am 2. September 2004 starteten beide in Markdorf zu einer Fahrradtour um die Erde. Für den 48-Jährigen wurde es eine Reise ohne Wiederkehr: Andreas Killat starb am 10. März 2010 bei einer Wanderung an der Südküste Neuseelands. Er glitt an einer Felskante aus und stürzte in die Tiefe. Lina Killat hat ihn zwei Tage später einäschern lassen.

In der Markdorfer Waldhornstraße haben die Killats noch Gegenstände bei ihrem früheren Vermieter eingestellt. „Große Hochachtung vor diesen Leuten, vor allem vor der Frau, die vor der Reise die Ausbildung zur Hotelfachfrau im Bären in Meersburg abgeschlossen hat“, sagte gestern die Vermieterin. „Es waren hochanständige Leute, nur ein bisschen verrückt.“ „Wir fahren nach China. Sind Sie an Berichten interessiert?“, fragte Andreas Killat im Sommer 2004 bei der SÜDKURIER-Redaktion. Der SÜDKURIER war interessiert. Die Killats ließen seither die Leser am Bodensee an ihrer ungewöhnlichen Radtour teilnehmen, berichteten in Wort und Bild von den Unwägbarkeiten einer Radreise, die am 2. September 2004 ganz unspektakulär am Markdorfer Weiher begann. Von Tuttlingen aus, 3000 Kilometer entlang der Donau zum Schwarzen Meer, gewann das Abenteuer Europa-Dimensionen, sprengte sie mit der Überquerung des Bosporus in den asiatischen Teil der Türkei. Bis nach China wollten die Radnomaden ihre Stahlrösser treiben, durchquerten im November 2004 das Reich des Grafen Dracula, wurden im Iran von der Polizei mit Martinshorn begrüßt, entdeckten Quetta als Hauptstadt Belutschistans, „die entsetzlich stinkt“. Auf dem Karakorum-Highway wurden die beiden von Kindern mit Steinen beworfen, freuten sich nach 25 Kilometern steilen Pass-Aufstiegs auf die Abfahrt, um anschließend feststellen zum müssen: Es war die falsche Straße. Kommando zurück. Mitunter wussten Andreas und Lina nicht weiter, aber schafften es dennoch. Rahmenbrüche, Platten, sture Behörden und Albträume der pakistanischen Küche haben sie überstanden. Auf die Orientierungslosigkeit im tibetanischen Schneechaos folgte ein Päuschen in Lhasa, wo sie voller Tatendrang feststellen mussten: „Jeder Tag dort ist ein verlorener Tag.“ Leserinnen und Leser haben mitgefiebert, die waghalsige Reise an Stammtischen ebenso wie bei Seniorengeburtstagen durchgehechelt, Wetten abgeschlossen und mit Spannung auf die nächste Folge der „Velotour“ in dieser Zeitung gewartet. Auf Pakistan folgte Indien und schließlich China, das im Oktober 2006 vom Endziel zum Etappenziel erklärt wurde. Es ging weiter nach Australien und schließlich nach Neuseeland. Flugzeuge waren tabu, der Fahrrad-Transport per Lastwagen oder Schiff wurde jedoch zwangsläufig hingenommen. 2008 stellte sich Australien mit dem Outback als 4600 Kilometer lange Herausforderung. 43 000 Kilometer haben Andreas und Lina in fünfeinhalb Jahren zurückgelegt, bevor sie Neuseeland erreichten. Für Andreas Killat wurde es das Ende seiner letzten Etappe. Noch am 20. Februar 2010 schrieb er dem SÜDKURIER: „Wir haben das Radeln vorläufig an den Nagel gehängt und arbeiten als Backpacker-Manager am südlichsten Zipfel Neuseelands für Weltenbummler. Wir müssen uns nicht mehr profilieren und nehmen uns nicht mehr so wichtig.“ In fünfeinhalb Jahren sind Andreas und Lina Killat von Markdorf aus bis nach Süd-Neuseeland geradelt, wo sie Anlaufstelle für Rucksacktouristen waren. Andreas Killat, geboren 1962 in Hannover, träumte als Junge von Kanada, lernte Werkzeugmacher, befuhr den Yukon mit dem Kanu bis zur Mündung und arbeitete vor der Abreise bei einer Firma in Kluftern. Lina Killat, geboren 1974 in Litauen, kam als Au-pair-Mädchen nach Deutschland, wo sie Andreas Killat kennenlernte. Gemeinsam umrundeten sie 2002 das Karakorum-Massiv zu Fuß. Die Reise: In fünfeinhalb Jahren haben die Killats rund 43 000 Kilometer zurückgelegt, davon 32 000 auf dem Fahrrad, 11 000 mit Schiff, Bahn, Bus oder Truck. Sie verschlissen 33 Reifen, 14 Fahrradketten, drei Felgen und vier Rahmen und durchquerten elf Zeitzonen sowie 19 Länder. Im Schnitt legten beide an 1622 Tagen je 20 Kilometer zurück. Die Kosten für Verpflegung, Visa, Fahrradteile, Bus- oder Bahnfahrten, Post und Pakete beziffern die Killats mit 550 Euro im Monat.